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Besuch im ehemaligen KZ Mittelbau-Dora

„Es geht uns alle an“ – Die Wolfsburger Oberschule auf den Spuren gegen das Vergessen 

 

Der 9. Jahrgang der Wolfsburger Oberschule machte sich vergangene Woche an zwei Tagen auf, um nicht zuletzt festzustellen, dass verblichene Fußspuren im ehemaligen KZ Mittelbau-Dora auch für die heutige Generation wieder sichtbar gemacht werden müssen.

 

Nordhausen. Nach einer zweistündigen Busfahrt betraten die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal den ehemaligen Appellplatz in Mittelbau-Dora. Ohne zu wissen, wo sie sich gerade befinden, herrschte schlagartig eine bedrückende Stimmung bei den Jugendlichen. „Ich dachte, hier hätte vielleicht mal ein großes Gebäude gestanden, ahnte nicht, wie schrecklich die KZ-Häftlinge bereits hier schon gequält und erniedrigt wurden“, beschreibt eine Schülerin ihre Gedanken. Die tatsächliche Funktion des Appellplatzes sowie die des Krematoriums und des Stollens wurden dann im Laufe des Tages genauer thematisiert:

In den Tagungsräumen, welche sich in einer rekonstruierten Baracke befinden, begann der Mitarbeiter der Gedenkstätte das Seminar mit der Darbietung von Fotos und Zeichnungen von ehemaligen Häftlingen, die bei den 9.-Klässlern verschiedenste Emotionen auslösten: Fassungslosigkeit, Unverständnis, Trauer und nicht zuletzt große Wut gegenüber den SS-Soldaten, die in Mittelbau-Dora im Sinne des Nationalsozialismus handelten und Befehle ausführten. Die Bilder boten Anlass für eine erste Gesprächsrunde, um Fragen zu stellen, Vorerfahrungen auszutauschen, aber vor allem, um den Jugendlichen wichtige Hintergrundinformationen über die Errichtung der Stätte, die Abläufe innerhalb der Mauern und die Umsetzung der nationalsozialistischen Ideologie zu vermitteln.

„Die Fotos haben uns direkt klargemacht, wie grausam es im Arbeits- und Vernichtungslager ablief“, erzählt ein Schüler, „aber wie viele Menschen dort zu Tode gequält wurden, ist mir erst so richtig bewusst geworden, als uns der Mitarbeiter zum Krematorium und dem Aschegrab führte. Als er dann noch berichtete, dass hier nur die Asche von 5.000 der 20.000 toten Häftlingen liegt und der Rest der Männer auf dem Todesmarsch aus dem KZ oder ‘irgendwo‘ gestorben ist, konnte ich es einfach nicht fassen.“

Ebenso groß war die Bestürzung, als sich die Schülerinnen und Schüler auf einem Plateau unterhalb des Krematoriums versammelten. Ausgestellt ist hier eine Gedenktafel mit einer Auflistung aller Nationalitäten und Ethnien derer Männer, die in Mittelbau-Dora in menschenunwürdigen Verhältnissen leben mussten und nicht zuletzt in vielen Fällen auf grausame Weise zu Tode kamen. Einige Schüler nahmen den Moment zum Anlass, um über ihre Geschichte als Flüchtling, als Migrantenkind, aber auch als vorurteilsbehafteter Deutscher zu sprechen.

Im Sinne eines „Ja, es geht uns alle an“ startete dann mit neuem Bewusstsein am Nachmittag der 2. Workshop. Auch hier wurden die Jugendlichen weiter dahingehend sensibilisiert, mit welcher Willkür die Nationalsozilisten die Menschen unter anderem nach Mittelbau-Dora deportierten und zur Zwangsarbeit verpflichteten. Anhand von Zeitzeugenberichten arbeiteten die Schülerinnen und Schüler die Gruppen heraus, die laut der nationalsozialistischen Rassentheorie als wertlos angesehen wurden. Auch hier zeigte sich wieder besondere Bestürzung, als es konkret und anschaulich wurde: Ein niederländischer Überlebender des KZs berichtet in einem Interview, wie er 1943 nach Mittelbau-Dora deportiert und fünf Monate lang im Stollen dazu verpflichtet wurde, Leichen einzusammeln und aus dem Weg zu schaffen.

Den eigenen Gang in den Stollen traten dann zum Abschluss des Seminars auch die Schülerinnen und Schüler an. „Dass Menschen vieler verschiedener Nationen und auch Religionen vor ein paar Jahren hier körperlich harte Arbeit leisten mussten, sterben sollten, Raketen bauen mussten, die teilweise gar nicht funktionierten und viele Firmenarbeiter von z.B. VW und Siemens jeden Tag wegschauten, als sie den Stollen als freie Menschen wieder verlassen durften, das glaubt einem doch kein Mensch!“, zuckt ein Schüler mit den Schultern und schüttelt den Kopf.

Nach der Begehung des Stollens endete das Seminar letztlich mit einer Gesprächsrunde, in der die Jugendlichen sich bei dem Mitarbeiter der Gedenkstätte für sein Engagement sowie die vielen Informationen bedankten und sich einig waren, dass die Opfer, genauso wie die Machenschaften des Nazi-Regimes, nicht in Vergessenheit geraten dürfen.